In Bayern nimmt die Handlung ihren Anfang. Den Freistaat inszenieren Sie als märchenhaftes Almenland. Heidi und die lila Milka-Kuh verstecken sich sicher gleich um die Ecke. Der fesche Jungbayer Alois (Florian Brückner) taucht unter. Nein, nein, nicht das Sie einen Krimi gedreht hätten. Alois stapft von der grünen Wiesn schnurstracks in einen See, wandert über den Grund und taucht am bolivianischen Ort Copacabana wieder auf. Hier steigt er aus dem südamerikanischen See, dessen Nennung im Unterricht Grundschüler immer zum Kichern brachte, dem Titicaca-See. Noch hofft man vage, Sie, Herr Kronthaler würden Sich in ein Märchen versteigen, eine surreale Zauberwelt, der man ihre Verspieltheit nachsieht. Stattdessen schalten Sie auf Jugendromanze mit einer Prise Alltagsdramatik um. Die vierzehnjährige Alfonsina (Julia Fortunato) erzählt ihrer Freundin Tere (Camila Guzman) die Geschichte Alois’. Der ist Alfonsinas Großvater, der Großmutter Elena (Agar Delos) bisweilen als Geist (Luis Bredow) erscheint. Mutter Rosa (Carla Ortiz) ist eine jung verwitwete, feurig-schöne Stewardess. Der junge Münchner Daniel (Friedrich Mücke) reist durch den Ort Copacabana und lässt Alfonsina erstes Verliebtsein erleben. Um allerdings die generationsübergreifende Weiberwirtschaft mit ihren Annehmlichkeiten und Konflikten dazustellen, fehlt es Ihnen leider an Gespür. Vielleicht mangelte es daran bereits dem Drehbuch Stefanie Kremsers nach ihrem Roman. Die Filmhandlung erinnert verdächtig an die Telenovelas, welche sich das Dorf ansieht. Fernsehserienschreiberin ist Stefanie Kremser ebenfalls.
“Ein guter Lügner bringt beste Voraussetzungen mit, um eine gute Geschichte zu erzählen.”, zitiert Sie das Presseheft, Herr Kronthaler. Auf Ihr Kinospielfilmdebüt “Schreibe mir – Postkarten aus Copacabana“ trifft dies zu. Die Familiengeschichte ist randvoll mit Unwahrheiten und Idealisierungen. Wie eine geschönte Postkarte, die um jeden Preis den Adressierten beeindrucken soll. Wer Brasilien für ein von Korruption, Gewalt und Armut gebeuteltes Land hält, den belehrt “Schreibe mir” eines Besseren. Sonnig wie das Wetter ist das Gemüt der Menschen. Nach harmlosen Streitereien verträgt man sich, Tradition wird gewürdigt, Modernes integriert, alt und jung, Schwiegermutter, Schwiegertochter und pubertäre Enkelin leben einträchtig zusammen. Schade, dass die Urlaubszeit vorbei ist. Man möchte in dieses makellose Copacabana fahren, wie es ein Reisekatalog nicht idyllischer ausmalen könnte. Nicht, dass man Sie einen guten Lügner nennen wollte! Schlechter Lügner trifft es besser. Nach Ihrem Zitat auch schlechter Geschichtenerzähler. Zu schön, um wahr zu sein, ist Ihre Filmwelt und deren Charaktere. Dabei können besonders die Damen, die den Großteil des Ensembles ausmachen, durchaus spielen. Die sehr junge Hauptdarstellerin Julia Fortunato ist eine vielversprechende Entdeckung, Agar Delos ergänzt sie mit würdevoller Herzenswärme und Teresa Gutierrez und Rosa Rios als ältere Nachbarinnen, die sich bei Freud und Leid gern ein Gläschen einschenken, geben der länglichen Familiengeschichte einen Hauch subtiler Komik.
Doch am Reißbrett entworfene Figuren und x-mal gehörte Dialoge machen das banale Romantikfilmchen so überflüssig wie prahlerische Urlaubsgrußkarten. Schönfärberei betreibt der Film mit den frisch gestrichen wirkenden orange-gelben Casas und der realitätsfernen Prospektwelt am Titicaca-See. “Das ist nicht komisch!”, mahnte nach dem auf den geografischen Namen folgenden Grundschulgekicher einst der Lehrer. Das trifft auf “Schreibe mir – Postkarten aus Copacabana” zu. Schreiben Sie ruhig einmal aus Copacabana, wenn Sie dort dank der Filmeinnahmen Urlaub machen. Eine Karte ist immer noch besser als ein weiterer Film im Stil von “Schreibe mir – Postkarten aus Copacabana”.
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Titel: Schreibe mir – Postkarten aus Copacabana
Kinostart: 27. August 2009
Regie: Thomas Kronthaler
Drehbuch: Stefanie Kremser
Darsteller: Julia Hernandez Fortunato, Carla Ortiz, Agar Delos, Friedrich Mücke, Florian Brückner
Verleih: Movienet Film
Internet: http://www.schreibemir-derfilm.de/